Den Handwerkskünstlern von Garmisch-Partenkirchen gewidmet
Kreatives Handwerk ist so viel mehr als ein Hobby oder ein Beruf. Es ist der Ruf des Herzens, der uns durch unsere Hände erreicht. Denn die Handwerkskunst stillt unsere tiefe Sehnsucht nach Verbundenheit mit dem Schöpfer in uns; nach dem Eins-Sein mit der Seele der Natur – und mit unserer eigenen.
Als Kinder schnitzen wir stundenlang am Holzstück, nähen Kleider für unsere Puppen – oder bauen Sandschlösser. In diesen Momenten folgen wir dem Ruf, der aus den Tiefen unseres Herzens kommt: dem Ruf nach schöpferischem Ausdruck unserer Seele. Wie glücklich, zufrieden und verbunden wir uns in diesen Augenblicken fühlen! Das vergessen wir leider, sobald der Erwachsenenalltag unsere Freude am kreativen Handwerk verschlingt. Wir werden strukturiert und irgendwie geradlinig. Durchgeplant, gestresst und unglücklich. Was ist, wenn wir kurz stehenbleiben, unsere Hände anschauen und dann unser Herz durch sie wieder sprechen lassen?
Vielleicht erinnern wir uns dann daran, wie leicht und unbeschwert unser Leben ist, wenn wir handwerklich kreativ sind – weil wir in solchen Momenten absolut im Augenblick und bei uns sind? Das beobachte und spüre ich, als ich bei einem Spaziergang durch die bayerische Olympiastadt Garmisch-Partenkirchen einem Schmied und einem Chocolatier über die Schulter schaue. Ich erinnere mich an das Glück, das ich empfand, wenn ich als kleines Mädchen die flauschigen Wollschals strickte. Oder aus bunten Herbstblättern, Sand und Kiessteinen Landschaftsbilder kreierte. In diesem Moment des Erinnerns spüre ich sie wieder: die Wärme und Liebe, die damals aus meinem Herzen durch meine Hände hinaus in die Welt flossen. Da ist es wieder, dieses heilsame Gefühl, mit dem großen Ganzen eins zu sein. Schöpfer zu sein. Mit mir selbst eins zu sein: im Hier und Jetzt. Diese wertvolle Erinnerung verdanke ich den Handwerkskünstlern, warum sie für mich zu Soul People, den „besonderen“ Menschen, zählen.
Ein wenig beneide ich sie schon, ob Schmiede oder Steindesigner, darum, dass sie ihr Herz durch ihre Hände sprechen lassen. Weil sie dieses Gefühl der Verbundenheit nie verloren oder schnell wiedergefunden – und ihr kreatives Handwerk zu ihrem Beruf gemacht haben.
Kreatives Handwerk aus Metall: Schmied Florian Aberl
Vom Schüren des Feuers und Zähmen des Eisens
Die Hälfte seines Lebens ist er schon dabei, der 37-jährige Florian Aberl, der die Schmiede von seinem Vater übernahm. Der Letztere übernahm sie von seinem Vater und der wieder von seinem Vater – und so weiter, elf Generationen zurück, bis ins Jahr 1813, als die Schmiede frisch geschmiedet wurde.
Die 200 Jahre alte Tannentür steht für Besucher offen. Damals wie heute: Der säuerlich-metallische Geruch füllt die Luft, düsteres Licht wird zahm vom Feuer im Ofen erhellt. Werkzeug hier. Hammer da … Man bahnt sich vorsichtig den Weg zwischen den stumm-erstarrten alten Maschinen und balanciert auf Metalldingern, überall am Boden verteilt. Dann fängt das Herz der alten Schmiede an zu schlagen: „Bumm, bumm, bumm“, spricht der Lufthammer, wenn Florian das glühende Stück Metall bezwingt, als wäre das Brotteig. Mit dem Teig hatte er es ja übrigens auch ausprobiert, während seiner Konditor-Ausbildung. Doch das war ihm dann doch „zu bazig“, also fand er seinen Weg in das Familiengeschäft zurück.
Nun sind seine Hände zwar nicht mehr patzig, aber schön verrußt, die Schiebermütze, anstelle von Kochhaube, sitzt frech auf dem blond-zerzausten Haar und seine Kunstwerke sind Inbegriff von Festigkeit und Langlebigkeit: Messer, Pfannen, Beschläge, aber auch maßgeschneiderte Treppen oder Tore. Der schmächtige Bursche schwingt den Hammer, als wäre es ein Zauberstab. „Mit der Kraft hat es nichts zu tun. Reine Technik“, murmelt der junge Schmied bescheiden. Das, was dabei rauskommt, ist ein robustes Unikat, das nun auch seinen Namen tragen darf …
Einmal Feuer gefangen, lässt man das Schmieden wohl nicht mehr los: Florians Vater Hans ist das beste Beispiel dafür – und kommt immer noch halbtags zum Hammerschwingen hierher. Auch die Ehefrau Martina, studierte Sozialpädagogin, ist keine Ausnahme und hat ihre neue Berufung als Hufschmiedin gefunden …
Kreatives Handwerk aus Holz und Stein: Goldschmiedin Susi Dahlmeier
Schmuckstücke mit Herz – fürs Herz
Auch in Susi’s Schmuckwerkstatt wird das Metall verformt. Steine geschliffen. Hölzer zurecht geschnitzt. Nur braucht sie dafür keinen Hammer, es reichen ein paar schlichte Instrumente. Und die antike Pressmaschine.
Wer Susi’s Stein- und Schmuckreich im ruhigen Hinterhof aufsucht, passiert zuerst einen Gang, der einen guten Vorgeschmack liefert und eigentlich schon der Anfang der Werkstatt ist: Berge an Halbedelsteinen, fertige Schmuckstücke am Nagel, Werkzeug auf alten Tischen, Hölzer und Steinchen, von Natur aus schön geformt – alles zum Anfassen und Bewundern.
All ihre handgefertigten Schmuckstücke sind eben von Natur inspiriert. Und von Menschen, die zu ihr kommen! Die gelernte Steintherapeutin kennt sich mit der Wirkung der Heilsteine aus, doch darf jeder Besucher seinen Stein selber finden. „Jeder soll sich den Stein nehmen, der ihn anzieht“, meint ehemalige Profisportlerin, die die Sportkariere ihrer berühmten Tochter Laura überreicht und ihren Wohlfühlplatz als selbständige Handwerkerin gefunden hat. „Jeder Stein ist für irgendwas guad und macht dir etwas bewusst.“ Diesen kann Susi mit Herzblut zu einem individuellen Unikat, ganz nach Vorstellungen des Gastes, verwandeln.
Ist bei dem ersten Besuch nichts dabei, nimmt man zumindest etwas Herzenswärme der Designerin mit. Und den Wunsch, die kleine Oase im verwunschenen Garten wieder zu besuchen!
Kreatives Handwerk aus Schokolade: Familie Kässer
Die wunderbare Welt der Chocolaterie Amelie
In dieser Werkstatt finden sich ebenso Werkzeuge wie Hammer, Zange und Nägel, originalgetreu und in einer alten Werkbank präsentiert. Die Art des Handwerks ist auch hier das Verformen – nur geht die Reise aus der bodenständigen, harten Metallwelt in das verträumte, zartschmelzende Reich der Schokolade.
Mit der letzteren drückt man hier nämlich die Heimatliebe aus: Im Schaufenster posiert die Garmisch-Partenkirchner Ski-Schanze, sehr echt aussehend, nur „etwas“ kleiner. In der prominentesten Ecke stolziert das berühmte bayerische Gipfelkreuz, 90 Kilo schwer, zwei Meter hoch und in 60 Stunden Handarbeit massiv – wie alles andere hier, aus Schokolade! – gegossen. Familie Kässer, mit dem Konditormeister-Vater Franz und dem gleichtitulierten Sohn Linus an der Spitze, scheut keinen Aufwand, um die Heimatverbundenheit und Schokoladen-Liebe zum Ausdruck zu bringen.
Die Lieblings-Pralinensorte des Chefs? Die Rote-Beete-Himbeere-Praline, die nun ihren festen Platz unter den weiteren, insgesamt 60, Pralinensorten gefunden hat. Welche ist wohl am ausgefallensten? Vielleicht die Zimt-Molke-Apfel- oder die Aprikose-Thymian-Praline? Da muss wohl jeder Besucher einmal selbst dran – und sich durch das verführerisch süß-würzig duftende Schlaraffenland durchkosten. Und unbedingt riechen und hören: Die gut temperierte Schokolade duftet sanft-sahnig und knackt beim Brechen! Wer noch mehr lernen will, bucht hier einfach einen Pralinen-Kurs.
Da denkt man doch sofort an den Film „Chocolat – Ein kleiner Biss genügt“, mit dem die Kässer‘s Schokoladengeschichte begann … Doch eins steht fest: Ein kleiner Biss reicht auf keinen Fall!
Kreatives Handwerk aus Kräutern: Ursula Höger
Das große Wiesen-Glück der Natursula
Bei dem nächsten kreativen Handwerk geht es weniger um Zangen und Gießformen, aber nicht weniger um Herzblut. Ursula Höger holt ihre „Kunststücke“ direkt aus der Natur. Sie hat nämlich ein riesen Glück bzw. Wiesen-Glück! Eine wilde Wiese am Kochelberg, oberhalb von Garmisch-Partenkirchen, ist ihr persönliches Kräuter- und Blumen-Reich. Eines Tages, als Ursula beim Wiesenmähen dem Duft der Almkräuter hoffnungslos verfiel, wurde aus Ursula „Natursula“.
Ab nun an war Ursula-Natursula auf der weiten Weide des Werdenfelser Landes zuhause – und auch völlig bei sich. Im Sommer lebt die gelehrte Kräuterpädagogin ihre Begeisterung für die heimischen Pflanzen, in dem sie Fremde durch die unberührte Natur führt und ihre kleinen „grünen Freunde“ vorstellt: Jedes Blatt und jede Blüte hat nämlich eine Geschichte zu erzählen! So ist ihr Liebling, das „Kleine Mädesüß“, ein großes Heilwunder – und eine heilige Pflanze der Kelten. Der Spitzwegerich wirkt gut gegen Mückenstich und macht sich auch im Wildkräutersalat perfekt. Und die Wasserperlen, die der Frauenmantel in seinem samtigen Blatt sammelt, sind eine wahre Anti-Falten-Mixtur …
„Da oben wächst eine ganze Apotheke“, schwärmt Ursula von ihrer privaten Natureinöd, die ganz ohne Dünger blühen und gedeihen darf und nur ein einziges Mal im Jahr per Hand gemäht wird: „Um die Vielfalt zu erhalten.“ Und die Natur zahlt es ihr zurück: mit Kraut und „Unkraut“, Blüten und Blättern, die alle wenn nicht im Honigtopf als Hustenelixier oder dem Wodkaglas als Tinktur landen, dann auf dem Teller und im Salat stranden. Oder in ihrer Natur-Produktlinie „Natursula“. Ihr Favorit? Der Allrounder „Werdenfelser Heukissen“, mit handgepflückten Wiesenkräutern gefüllt, nach Sommer, Freiheit und Sonne duftend und in vielen Lebenslagen ein Helfer. Wer einmal im Heuschuppen schlief, weiß sofort: ein Duft wie eine Sehnsucht – und nur einen Schritt zur Sucht entfernt… Ein Wiesen-Glück müsste man haben!
Das Wiesen-Glück haben auch ihre bretonischen Schafe, die sie mit ein paar Freundinnen teilt. Niedlich-bockig und verschmust sind die kleinen schwarzen „Mäh-Teufel“, die nicht nur zum Streicheln, sondern auch zum Rasen-ums-Haus-Abgrasen da sind – naturbelassene Mähmaschinen quasi. Kinder aus dem benachbarten Wohnkomplex haben auch ihr Streich-Glück, denn einen großen Zaun hat Ursula nicht vor ihrem Haus. Hier lebt man nämlich nachbarschaftlich-freundschaftlich miteinander!
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