Besinnungswege, die den Kopf zum Schweigen und die Seele zum Singen bringen 

Die Magie des Waldes erschließt sich denjenigen, die mit dem Herzen zuhören und hinsehen. Diese Walderlebnispfade öffnen die Sinne für die stille Schönheit der Natur – und führen in die schweigsamen Tiefen der eigenen Seele.

Verzaubert: Erste Wald-Begegnungen – „Ich kenne dich!“

War ich in meinem früheren Leben eine Waldfee? Ein Baum? Oder ein bunter Schmetterling, der das grüne Paradies sein Reich nennen durfte? Wie dem auch sei: Der Wald zog mich schon im Kindesalter magisch an. Er rief nach mir. So lief ich hinein, wanderte von einem Baum zum nächsten, sprach mit jeder Blume und folgte jeder Biene in die Waldestiefe. Bis ich im Dickicht stand, das kaum noch Licht durchließ. Dann verwandelte sich meine Neugier in Angst. Die Vorstellung, der Wald könne mich verschlingen, mich restlos aufsaugen, hielt mich davor ab, weiterzugehen.

In solchen Momenten spürte ich die gewaltige Macht der grünen Seele der Erde, ihre ungebändigte Kraft. Und jedes Mal hatte ich das Gefühl, einen kurzen Blick in ihr unermesslich großes, von der Menschheit verborgenes Wissen werfen zu dürfen. Vielleicht ahnte ich auch nur die Weisheit des Waldes, die wir einst besaßen und lebten – und die uns leider abhanden gekommen war …

Das längst vergessene Wissen um die Heilkraft des Waldes: Ein Rückblick

Vor 3.000 Jahren besiedelten Kelten Europa. Sie lebten im und mit dem Wald, in tiefer Verbundenheit mit der Natur und der Mutter Erde. Vor allem verehrten sie Bäume. Denn sie meinten, dass Gottheiten darin wohnen. Heute ist der sogenannte Keltische Baumkreis eine der wenigen Überlieferungen unserer Vorfahren – und der Beweis ihrer tiefen Verehrung des Waldes. Jedem der 21 Bäume dieses Kreises wird eine mystische Bedeutung zugeschrieben. Und jeder dieser Bäume entspricht einem Menschencharakter. Also sind sich Menschen und Bäume gar nicht so unähnlich?

Doch die Kelten schätzten nicht nur die spirituelle Kraft des Waldes. Auch seine vielseitige heilende Wirkung. So ernannten unsere europäischen Ahnen beispielsweise Weißdorn, Haselnuss, Holunder, Linde, Birke, Weide und Kiefer zu Häuptlingsbäumen – aufgrund ihrer besonderen Heilkräfte. Ihre Blüten, Blätter, Säfte und Rinde nutzten sie für wertvolle Salben, Bäder und Tees. Das hielt sie körperlich und geistig gesund. Doch spätestens mit den Hexenverbrennungen gingen die meisten alten Rezepte aus der Naturapotheke verloren …

Diesen Wissensschatz um die Heilkraft der Bäume hüten heute nur noch die Ureinwohner des Regenwaldes am Amazonas, Aborigines von Australien und Schamanen in Grönland. Was uns Europäern davon übrig blieb, ist lediglich diese unbegreifliche, magische Anziehung des Waldes, die ich bereits als Kind spürte.

Heute höre ich den Ruf des Waldes stärker denn je. Und nicht nur ich: Trends wie Waldbaden oder Überleben in der Wildnis zeugen das langsame, aber sichere Aufleben des alten Waldwissens. Wir entdecken unsere Biophilie immer mehr. Auch Wissenschaftler schließen sich an und holen mit ihren „überraschenden“ Erkenntnissen diejenigen unter uns ab, für die der Wald bisher nur als ein Ort zum Pilze sammeln existierte.

Wald erleben: Ein wenig Wissenschaft für den Kopf

Mit dem Wald sind wir enger verbunden, als wir glauben. Diese Verbindung erforscht Ökopsychosomatik oder einfach: die Waldmedizin. Wissenschaftler gehen davon aus, dass wir mit Bäumen verwurzelt sind und uns stetig mit den Naturorganismen austauschen. Das erklärt, warum die Natur auf unsere Körper, Geist und Seele auf vielerlei Weisen positiv wirkt.

Spazieren wir auf einem Walderlebnispfad, lernen wir nicht nur Baum- und Pflanzenarten kennen. Wir atmen die Luft ein, die reich an Pflanzenbotenstoffen, den sogenannten Terpenen, ist. Diese verwenden Pflanzen, um untereinander – und darüber hinaus mit nützlichen Insekten zu kommunizieren. Da wir aber mit diesem System über das morphische Feld vernetzt sind, fängt unser Körper diese Botschaften ab und nutzt sie für sein Immunsystem.

Außerdem produzieren Pflanzen, Bäume, Pilze und Bakterien im Sommer unzählige chemische Substanzen im Boden: Phytonzide. Das sind ätherische Öle, Bitterstoffe und Antioxidantien. Diese nehmen wir über die Luft auf, was Entzündungen hemmt und stimmungsaufhellend wirkt.

Für mich ist der Wald ein Ort der besonderen Stille – der Stille in mir selbst. Nur hier komme ich wahrlich zur Ruhe, vergesse die Zeit, stoppe das lästige Gedanken-Karussell. Ich gebe mich der Magie der Natur vollständig hin, verschmelze mit der erdig-würzigen Luft und fließe mit dem wilden Bach durch die wurzeligen Rinnen. Mitten im Wald fühle ich mich eins mit ihm, eins mit dem Universum. Und auch eins mit mir selbst. Das ist ein guter Grund für mich, immer wieder magische Walderlebnispfade aufzusuchen und über sie hier zu schreiben.

Auf Walderlebnispfaden sein wahres „ich“ finden

Um das Baumgeflüster zu verstehen, muss ich nur in die Stille des Waldes eintauchen und ihr lauschen. Um die heilende Wirkung eines Waldes zu erfahren, reicht es, sich dieser lebhaften Ruhe hinzugeben und sich treiben zu lassen. Zeitvergessen, liebevoll, behutsam – und vor allem neugierig wie ein wahrer Pfadfinder auf den mystischen Naturerlebnispfaden der Welt.

Walderlebnispfad „Natura Mystica“ in Heiligenblut am Großglockner

Der Melodie des Wassers folgen

Unser Startpunkt für den Walderlebnispfad „Natura Mystica“ ist eines der schönsten Bergdörfer Österreichs: Heiligenblut am Großglockner. Am kleinen Bergfluss namens Möll spazieren wir zum keltisch anmutenden Platz, der in Form eines Baumkreises bereits den ersten Einblick in das Waldwesen des Nationalparks Hohe Tauern vermittelt. Hier markiert ein großes Holztor den Eingang zum meditativen Naturpfad.

„Ich grüße euch Menschen“ – höre ich eine sanft-kindliche Stimme an meinem Ohr erklingen. Das Walderlebnis beginnt, begleitet von den Erzählungen eines der wenigen überlebenden „Hollaleitisch“: des verborgenen Naturwesen-Volkes, das hier einst lebte und den Menschen das große Wissen um die Heilkraft und Magie des Waldes vermittelte.

Auf dem 3,6 km langen Rundwanderweg durch das Kachlmoor erzählt uns unser unsichtbarer Begleiter an den ca. 20 Stationen aus der Naturkunde der Region. Er führt uns ins geheime Leben der Pflanzen und Tiere ein und lässt uns an einsamen Rastplätzen den Wald mit allen Sinnen aufsaugen.

Das Element Wasser beherrscht den sanft-schlingenden Walderlebnispfad: Immer wieder nehme ich das Wasserrauschen wahr. Mal rinnt ein kleiner Bach den Fels herunter, mal stürmt ein wilder Fluss durch seinen steinigen Pfad. Zwar kann das Wasser auch stumm sein – wie direkt am kleinen Moor, wo nur Frösche das Anwesen des Nasses bezeugen. Doch die wahre Kraft des Wassers kündigt ab der Mitte des Naturpfades ein immer lauter werdendes Geräusch an: Der tosende Gößnitz-Wasserfalls ist nicht mehr weit! Dieser bahnt sich den Weg durch einen wie von einem Riesen gespalteten Berg und knallt aus 70-Meter-Höhe in sein steiniges Becken.

Nach der spektakulären Schluchtbrücke und einem 15-minütigen Aufstieg zur Aussichtskanzel stehen wir an einem Ort, der einen ganz besonderen Zauber ausstrahlt. Die mächtige Wassermasse bewegt die Luft mit so einer Wucht, dass ich glaube, dem Gott des Windes ins Gesicht zu blicken. Es ist gefühlt 10 Grad kühler als auf dem Walderlebnispfad im Tal. Der feinste Sprühnebel benetzt meine Haut. Die Energie, die wir hier empfangen, macht süchtig, hält uns gefangen. In diesem Moment existiert keine Zeit; die Gedanken sind still. Das ist es, was sich das achtsame Leben im Hier und Jetzt nennt …

„Ich habe noch mehr Überraschungen für euch“, rüttelt mich der Ruf des Hollaletisch aus meiner Traumreise durch das unsichtbare Universum wach. Auf dem Rückweg folgen wir bis zur Radmühle mit alten Wasserzuleitungen dem Strom des Gößnizfalls, der nun ruhiger und gezähmter wird. Das Getöse wird immer leiser, bis nur das harmonisierende Waldgeflüster das Gemüt bewegt. Hier lauschen wir dem Wald ein letztes Mal durch ein großes Hörrohr: Wir sind entspannt und mit ganz besonderer Energie geladen. Das Gefühl, tief in die Seele des Waldes und des Wasser gesehen zu haben, macht glückselig und zufrieden. Fast so, wie damals, als ich als Kind meine ersten Waldexpeditionen unternahm und meinte, eine magische Welt berührt zu haben.

Nach insgesamt drei Stunden führt uns der zauberhafte Walderlebnispfad zurück zur keltischen Steinspirale am Zasch-Parkplatz.

Walderlebnispfad „Natura Mystica“ – die Eckdaten

Start: am Retschitzparkplatz in Heiligenblut am Großglockner in Kärnten, Österreich
Anstieg: 250 m
Höchster Punkt: 1.384 m
Länge: ca. 4 km
Dauer: 3 h (mit Pausen)

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